Das fertige Mural von HERA für STADT.WAND.KUNST
Das Mural “Imagination is my favorite nation” in der Hafenstraße 31, 68159 Mannheim
Geburtstag sollte man ja bekanntlich mit guten und lieben Freund:innen feiern. So war es für STADT.WAND.KUNST eine kleine Sensation, dass Hera fast auf den Tag genau zehn Jahre nach Entstehung ihres Murals „My Superhero Power is Forgiveness“ (HERAKUT, Juli 2013) nach Mannheim zurück kam. Das Werk hatte den Grundstein für das heutige Open Urban Art Museum Mannheim gelegt und gemeinsam wurden die Erfolge der vergangenen Jahre sowie HERAs beeindruckendes neues Mural gefeiert.
Am Mittwochabend hat die international arbeitende und gefragte Künstlerin HERA ihr zweites Mural in Mannheim offiziell beendet. Drei Tage lang hat die Frankfurterin an dem Werk mit dem Titel „Imagination is my favorite nation“ gearbeitet. Es zeigt auf etwa 6 Metern Höhe und 15 Metern Länge einen fliegenden, dreiäugigen Fuchs, der ein Kind auf seinem Rücken transportiert. Begleitet werden die Figuren von einem Text, der ein Gespräch zwischen dem Fuchs und seinem Passagier abbildet. „Imagination (..) ist meine Lieblingsnation auf diesem Planeten“, erklärt der Fuchs abschließend. Ein Ort, der keine Grenzen braucht!
Anders als viele ihrer Kolleg:innen aus der Street Art arbeitete HERA ganz ohne Raster oder Hilfslinien. Sie skizzierte an der leeren Wand ganz frei die Konturen des Fuchses mit einer 2,5 Meter langen Teleskopstange. Noch im fertigen Mural sind so die Suchlinien zu finden, die im Erkundungsprozess der finalen Form ihrer Werke an der Wand entstehen. HERA taucht die Rolle an der Spitze der Stange in den Farbeimer, und hieft das schwere Objekt in die Höhe. Das Anheben sei ein sehr intensiver, körperlicher Prozess sagt sie, und sobal die Stange oben sei, stelle sich eine Leichtigkeit ein. Es sei fast wie tanzen, erklärt HERA, die schon als Kind Ballett übte und diesen Prozess der Formfindung extrem genießt. Anschließend arbeitet sie mit Farbroller und Sprühdose an den Details. Die Fassadenfarbe hat sie früher aus Sparsamkeit mit Wasser verlängert und diesen Prozess beibehalten, so fließt die dünne Farbe dynamisch nach unten. Zusammen mit der Typografie und der häufig naturrealistischen Malerei, sind diese skizzenhaften Konturen und die rinnende Farbe zu ihrem unverwechselbaren Markenzeichen geworden.
Ihr Arbeitsprozess im Jungbusch wurde von vielen neugierigen Zuschauenden begleitet. Ein paar ganz kleine Passant:innen hat HERA sogar ins Werk eingebunden: Eine Kindergartengruppe, die an ihr vorbei spazierte, hat sie eingeladen, ihre Handabdrücke auf der Wand zu hinterlassen. Auch der typografische Teil des Murals war eine Co-Produktion, an der sich kleine Besuchende beteiligten. “IMAGINATION IS MY FAVORITE NATION” haben sie in blauer Schrift an die Wand geschrieben. HERA ergänzte anschließend ihren eigenen Text darüber. Die Arbeit im öffentlichen Raum sei eine ganz besondere Erfahrung: „Street Art ist für mich ein kommunikativer Akt“, sagt HERA. „So, wie das Werk mit den Zuschauenden kommuniziert, suche und liebe ich die Kommunikation mit den Menschen und dem Raum vor Ort.“
Zudem sei auch die Nachwuchsförderung extrem wichtig für Sie, sie liebe die Arbeit mit jungen Talenten in Workshops und versuche den Weg für neue Künstler:innen zu ebnen. Gemeinsam mit einer Kollegin gründet Sie aktuell ein Netzwerk für Frauen+ in der Street Art, dass Künstlerinnen zusammenbringen und sichtbarer machen soll. Immer noch würde ihr die Ausrede begegnen, dass es nicht genug Frauen in der Szene gäbe, erklärt sie. Mit dem Netzwerk will sie solche Vorgänge aushebeln und ein Verzeichnis aller weiblich identifizierten Street Art Artists erstellen.
Aufkommende vergleiche ihres Werkes mit “Der Kleinen Prinz” oder “Die unendliche Geschichte” begrüßt sie. “Ich will die Menschen empowern, ihre eigene Geschichte zu teilen und bestehende Erzählungen zu remixen”, sagt HERA. Der Respekt vor etablierten Geschichten, auch ideologischen und religiösen, sei so groß – doch auch diese seien von Menschen gemacht. Genauso wie das Konstrukt von Grenzen und Nationen, auch hier, findet sie, können wir gemeinsam neue Ideen finden, wie wir die Zukunft gestalten wollen: “Imagination is my favorite nation.”
“Will I need a visa?” asked the passenger. “No”, replied the fox. “But they check your vision at the border. Make sure you cannot just see what’s there but… envision what’s yet to come.” “What’s that country called again?” the passenger wanted to know. “Imagination”, the fox explained. “It’s my favorite nation on this planet.”
Imagination is my favorite nation – HERA, 2023
Text: Jaqueline Mellein; Fotografie: © Alexander Krziwanie / STADT.WAND.KUNST