Das fertige Mural von JENS RICHTER für STADT.WAND.KUNST

Das Mural “SCHÄDLING VS. NÜTZLING” auf dem BUGA-Gelände in Halle 5

Über zwanzig Tage hat der Mannheimer Künstler Jens Richter an seinem neuem Mural „Schädling vs. Nützling“ auf dem Spinelli Gelände vor Eröffnung der Bundesgartenschau 2023 gearbeitet. Und die lange, konzentrierte Arbeitszeit hat sich gelohnt: Mit seinem Werk ist nicht nur das erste Indoor-Mural bei STADT.WAND.KUNST entstanden, sondern auch ein beeindruckendes 360°-Panorama, das sich über vier Wände erstreckt. Wie mächtige Herrscher:innen haben seine Insekten das Kasernengelände übernommen und vermitteln einen mystischen Charakter. Unheimlich soll den Betrachter:innen allerdings nicht die Darstellung der Tiere werden – sondern ihre eigene Denkweise und ihre Vorurteile gegenüber diesen Lebewesen. 

Viele Besucher:innen, die in diesen Tagen nach Mannheim kommen, begegnen gleich zweimal einem Werk von Jens Richter. Bereits am Hauptbahnhof werden sie von seinem 2019 entstandenen Mural „Unterwegs“ begrüßt. Ein riesengroßer Hecht gleitet hier unberührt vom Alltagsstress gemächlich durch einen Birkenwald. Und auch auf dem BUGA-Gelände widmet sich Jens Richter wieder der Tierwelt: Vierzehn fast unheimlich wirkende, übergroße Insekten zieren auf 230 qm die Wände der Halle 5 (Teil der U-Halle) und bilden einen starken Kontrast zu den bunten Blumenbeeten auf dem restlichen Gelände.

Schön sei es, nach der langen Arbeitsphase Anfang des Jahres wieder zurück in „seiner Halle“ zu sein, sagt Jens Richter beim Gespräch mit der Presse und dem STADT.WAND.KUNST-Team. Nun gehöre sie aber nicht mehr nur ihm, sondern auch den tausenden Besucher:innen der Bundesgartenschau – ein gutes Gefühl, dass ihn auch „ein bisschen stolz“ mache. Von Januar bis März 2023 hat er in der U-Halle auf dem BUGA-Gelände intensiv gearbeitet, ganz ohne Passant:innen und Schaulustige, die sonst die Entstehung seiner Murals begleiten. Dafür haben interessierte Bauarbeiter seinen Prozess beobachtet – „Was machst du heute?“, fragten sie ihn jeden Morgen, entwickelten schnell Respekt für den hart arbeitenden Künstler und wurden schließlich zu Freunden und Kollegen.

Die erste Begegnung mit seinem Schaffensort war prägend für den weiteren Prozess. Hier habe er eine industriell und militärisch anmutende Halle vorgefunden, in der früher Panzer für Kriegseinsätze gelagert wurden. „Ich wollte abseits der Bienchen-und-Blümchen-Ästhetik der BUGA bleiben und an die ursprüngliche Atmosphäre in der Halle erinnern“, sagt Jens Richter. Und er wollte das derzeitige gesellschaftliche Klima aufgreifen, das schwarz-weiß-Denken und die immer stärker werdenden Vorurteile, die sich zu manifestieren scheinen.

Riesig und bedrohlich wirken seine schwarzen Insekten auf den Wänden, sie heben sich von den weißen Gräsern und Blumen im Hintergrund ab. Die goldenen Kreise rahmen sie wie Heiligenscheine ein, geben ihnen eine neue Bedeutungsebene und hinterlassen dennoch ein mulmiges Gefühl. So krabbelt zum Beispiel eine Heuschrecke durch das Gras, die in vielen Ländern als Plage gelten und ganze Felder leer fressen. Gleichzeitig romantisieren wir das Grillen-Zirpen in warmen Sommernächten, und als Nahrungsmittel sollen sie zukünftig die klimaschonende Lösung für die Massentierhaltung sein. Am Eingang der Halle befindet sich eine für viele ekelerregende haarige Raupe: „Eine Marienkäferraupe“, so Richter, die zum Symbol für Glück und reiche Ernten wurden, weil sie befallene Nutzpflanzen ganz natürlich von Läusen befreien.

Wer entscheidet also, welches Insekt Schädling oder Nützling ist? Was sagt diese Einteilung in Gut und Schlecht über unsere Gesellschaft aus, wenn wir keine Nuancen und Relativierungen mehr zulassen? Fragen, die Jens Richter mit seinem Werk anregen möchte.

„Ich bin ein richtiges Recherche-Monster und saß stundenlang in der Stadtbibliothek um Bücher zu wälzen, um mehr über die Tiere zu erfahren.“ Dadurch habe er seine Liebe zu den verschmähten Arten entdeckt und die tierischen Besucher:innen wie Käfer und Asseln in der Halle neu zu schätzen gelernt. Besucher:innen der BuGa können das Werk noch bis Ende Oktober erleben und ihre eigenen Vorurteile, Bewertungen und Zuschreibungen herausfordern und hinterfragen.

Das Mural befindet sich in der Halle 5 auf dem kostenpflichtigen Spinelli-Gelände der Bundesgartenschau. Die Besichtigung ist nur mit einem gültigen BUGA-Ticket möglich. Tickets für die Ausstellung können hier erworben werden.

Text: Jaqueline Mellein; Fotografie: © Alexander Krziwanie / STADT.WAND.KUNST



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