Das fertige Mural “Load” von HOMBRE
Der Mannheimer Künstler Pablo Fontagnier alias HOMBRE SUK gestaltet eine Fassade in J7
Gleich am ersten Arbeitstag wurde die Vorarbeiten mit dem Beamer (und damit Vorzeichnen der Umrisse) in J7, 23 aufgrund der Ruhestörung durch die motorisierte Hebebühne jäh von der Polizei unterbunden, womit sich HOMBRE alias Pablo Fontagnier anderweitig behelfen musste: Die vorher mit einem leuchtenden Türkis grundierte Wand versah er wahllos mit kleinen gelben Kästchen, Dreiecken und Kreisen. Abfotografiert und mithilfe einer App auf dem Smartphone konnte er so seine zuhause am Tablett digital angefertigte Skizze „darunterlegen“ und sich mittels der damit gelegten Markierungen von Form zu Form arbeiten. Daraus wurde innerhalb einer knappen Woche und trotz zwei Tage Dauerregen ein wahrhafter Hingucker!
Ein leuchtend-gelbes, fahrerloses Auto, völlig überladen und bis obenhin vollgepackt mit allerhand Kruscht kommt da angedüst — Umzugskisten, Schallplatten, ein Bürostuhl und die obligatorische Grünpflanze, eine Melone, Spielkonsole, Malutensilien und ein vorne aufs Dach geschnürter Mega-Lautsprecher, der uns an das legendäre Bluesmobile der Blues Brothers denken lässt, türmen sich auf der viel zu kleinen Ladefläche. Mit dem Rücken zu uns steht im Bildvordergrund ein Junge mit Baseballcap und eher leichtem Gepäck — eine einfache Hip Bag hängt lässig von seiner Schulter. Er schaut sich das Ganze völlig unbeeindruckt an. Sieht so seine Zukunft aus? Irgendwann als Erwachsener mit allerhand wichtigem und weniger wichtigem Kram unterwegs durchs Leben zu ziehen? „Load“ lautet der Titel von HOMBREs bisher größtem Mural als Solo-Künstler, das der gebürtige Mannheimer genau 25 Jahre nach Beginn seiner Graffiti-Karriere an die 18 Meter hohe Wand in den Mannheimer Quadraten gebracht hat. Das Auto-Kennzeichen IV BE steht für „For Benicio“. Es ist eine Hommage an HOMBREs Sohn und gleichzeitig ein Aufruf an seine Generation, sich weniger aufzubürden, um ohne diesen Ballast leichter durchs Leben gehen zu können. Eine Gürteltasche reicht vollkommen aus zum Glücklich-Sein!
Fotos vom Entstehungsprozeß des Mural “Load”
Für Hombre, der in den 90er Jahren seine Leidenschaft fürs Zeichnen und Malen entdeckte und geprägt durch die Comic-Helden seiner Kindheit, eingeatmete Lackfarbe und Graffiti-Ikonen wie can2, Atom und Mode2 seinen eigenen, markanten Style entwickelte, steht die Ästhetik im Mittelpunkt. “Ich will etwas Schönes schaffen, das mir gefällt”, sagt er. Genauso wichtig ist ihm aber auch der Inhalt, die Message. Sich auf einer so großen Wand in seiner Heimatstadt zu verewigen, war definitiv eine Aufgabe, vor der er Respekt hatte, gesteht Hombre im Pressegespräch. “Für mich ist das ein bisschen ein Zurückgehen zu den Anfängen und gleichzeitig kann ich eine Entwicklung, die ich gemacht habe, aufzeigen“. Der gelernte Mediengestalter, der sich 2006 als Graphiker und Illustrator selbstständig gemacht und bereits diverse Auftragsarbeiten für großen Marken ausgeführt hat, lebt seit rund fünf Jahren ausschließlich von seinen freien künstlerischen Arbeiten. Sein anfänglich größtenteils illegal ausgeübtes Hobby brachte ihm damals nicht nur die ersten Sozialstunden ein, sondern legte den Grundstein für eine beispiellose Sprayer-Karriere, die er (und wir!) mit diesem Fassadengemälde feiert. Wer HOMBRE für eine Arbeit anfragt, der kriegt immer 100 % HOMBRE: feinst ausgearbeitete comicartige Figuren und Formen, satte Farben, eine herzerwärmende Monnemer Gosch und natürlich 100% Sprühdose! 150 Dosen in 40 bis 45 unterschiedlichen Farbtönen waren es im Fall von „Load“.
HOMBRE ist fester Bestandteil der STADT.WAND.KUNST-Family. Ob als special guest bei Stadtführungen, beratend bei der Künstlerauswahl oder vor allem selbst als Sprayer an der Wand: Im Sommer 2015 malte er mit seinem Kollegen Boogie auf den Mannheimer Konversionsflächen das Mural „Highest Carb“, das 2017 wie geplant im Zuge der dortigen Umbaumaßnahmen abgerissen wurde. Im Mai 2018 war Hombre mit STADT.WAND.KUNST und dem Goethe-Institut zu Gast in Jordaniens Hauptstadt Amman, um sich mit seinem Mural „Balim“ und einem Workshop an der sechsten Ausgabe des Street Art Festivals „Baladk“ zu beteiligen. Im August 2018 folgte dann eine Reise nach Finnland zu „helsinki urban art“. Mit „Load“ bekommt er endlich die bleibende Wand in Mannheim, die ihm gebührt! Und Mannheim bekommt von HOMBRE ein bittersüßes Bonbon — süß, was die Farben betrifft, mit einem leicht bitteren Beigeschmack. Und das alles im Hof der FREEZONE, der Mannheimer Anlaufstelle für jugendliche Obdachlose, wo die Päckchen, die wir im Leben zu tragen haben, nochmal ganz anders ins Gewicht fallen. Da haben sich zwei Welten gefunden!
Fotos: © Alexander Krziwanie / Stadt.Wand.Kunst
„Load“ ist das 36. Mural, das seit 2013 für STADT.WAND.KUNST entstanden ist. 28 Fassadengemälde sind es aktuell im OPEN URBAN ART MUSEUM, davon 11 in den Quadraten.